Geschäftsmodell Entmieter
Immobilienspekulanten setzten immer mehr auf sogenannten Entmieter. Daraus hat sich mittlerweile ein direktes Geschäftsmodell entwickelt. In Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt gehören diese Dienstleister längst zum Tagesbild. Der Vorgang ist jedes Mal der Gleiche.
Immobilienspekulanten kaufen Mietshäuser, verdrängen danach die Bewohner und bieten dann die Wohnungen zum Kauf an. Doch der Widerstand vieler Mieter wächst. Das Angebot an Mietwohnungen nimmt weiter ab. Das Geschäft der Entmieter wird durch den Widerstand der Mieter besonders in Berlin deutlich erschwert. In der Hauptstadt sind Immobilienspekulanten vor allem in Kreuzberg zu beobachten. Mit der Wohnungsknappheit in Deutschland lassen sich seit Jahren hohe Gewinne erzielen. Gesetze die Immobilienspekulanten daran hindern sollen, gekaufte Mieteinheiten in einem kurzen Zeitraum in Eigentumswohnungen umzuwandeln, lassen sich leicht aushebeln.
Mangelhafter Schutz vor Immobilienspekulanten
Immobilienspekulanten haben es gerade in den größeren Städten häufig sehr einfach. Besonders Berlin sticht hierbei immer wieder hervor. Die Hauptstadt verlockt mit einem der attraktivsten Immobilienmärkte in Europa. Die Nachfrage nach Wohnraum steigt weiter an, aber gerade in Berlin lassen sich viele billige Mietshäuser finden. In der Stadt an der Spree sind die Mietpreise im Vergleich zu Frankfurt und München immer noch besonders günstig. Allerdings sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Hauptstadt die Preiskurve besonders stark nach oben angestiegen ist.
Solange die Zinsen weiterhin niedrig bleiben, lockt das die Immobilienspekulanten und eben auch deren Entmieter an.
Bleiben wir doch für einen näheren Blick bei der Metropole Berlin. Zwischen 2011 und 2016 wurden dort mehr als 62.000 Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt. Dabei ist in großem Ausmaß der Berliner Bezirk Kreuzberg betroffen. Das Vorgehen der Immobilienspekulanten sei in vielen Fällen sicherlich unmoralisch, illegale Handlungen durch die Entmieter können dabei aber häufig nicht nachgewiesen werden. Der Antrieb dazu ist bei den zuständigen Behörden auch gering.
Soziale Erhaltungsgebiete in Berlin
Berlin verzeichnet mehr als 39 soziale Erhaltungsgebiete. In diesen Bezirken soll sowohl der Anbau von Balkonen, aufwendige Badsanierungen und die Umwandlung von Eigentum unterbunden werden. Dennoch gibt es Schlupflöcher, die von Immobilienspekulanten nur viel zu leicht genutzt werden können. Sie werden sogar als sogenannte Schlupfkrater in der Stadtverwaltung bezeichnet. So gilt das Umwandlungsverbot in den sozialen Erhaltungsgebieten erst seit März 2015 (ohne rückwirkende Bindung), des Weiteren sind einige Ausnahmen im Baugesetzbuch zu finden. In einem Zeitraum von 7 Jahren, kann sich der Eigentümer verpflichten, mit der Begründung von Wohneigentum, nur an die Mieter zu verkaufen.
Der Trick hierbei: Erklärt der Immobilienspekulanten, er plane nur an die derzeitigen Mieter zu verkaufen, kann die Umwandlung im Grundbuch eingetragen werden. Nun beginnt die Entmietung. Sind die aktuellen Mieter aus den Wohnungen raus, kann der Spekulant nun an jeden beliebigen Interessenten veräußern. Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht, geschätzt wird aber, dass über diesen Weg mehr als 80 Prozent der Mieter verdrängt werden.
Entmieter – Die Verdrängung beginnt
Einige Immobilienspekulanten führen die Entmietung selber durch, andere nutzen die Dienstleistungen der Entmieter. Dabei setzt sich die Verdrängung aus einer Kombination von Geldofferten, Schikanen und sogar teilweise offenen Drohungen zusammen. Die Vorgehensweise ist fast immer gleich. In vielen Fällen kommt es zu einer Modernisierung. Dabei werden neue Balkone gebaut, Aufzüge, neue Bäder und Küchen eingebracht. Die Zustimmung der Mieter liegt in vielen Fällen nicht vor. Die Modernisierung führt zu einer Anpassung der Mieter. Häufig sogar um das Doppelte. Viele Mieter können sich das nicht mehr leisten. Eine legale Möglichkeit der Entmietung. Der Weg ist nun frei für den Verkauf.
Schikanen machen sich häufig durch dauerhafte Bauarbeiten deutlich. Eine Art Zermürbetaktik entsteht, die zusätzlich durch ein Verwickeln in Rechtsstreitigkeiten vertieft werden kann. In einigen Fällen kam es bei einer Dachsanierung sogar so weit, dass Mieter über Wochen kein Dach über dem Kopf hatten. Solche Maßnahmen gehen zwar vielfach in eine rechtliche Grauzone, doch ein juristisches Vorgehen seitens der Mieter ist nicht nur nervenaufreibend, sondern kostenintensiv und vor allem langwierig.
Lärm, Dreck, unzumutbare Zustände und das einfach Dixieklo, das im Hof nach dem Abstellen des Wassers bereit steht, werden vom Entmieter gerne genutzt. Aber auch die Vermietung von leerstehenden Wohnungen an sehr zweifelhafte Personen gilt oft als Erfolgsmodell der Immobilienspekulanten. Auch das laute Feiern von Partys in diesen Wohnungen, die bis tief in die Nacht gehen, sind eine gewollte Provokation. In drastischen Fällen -bei einer erfolgten Modernisierung- stieg die Miete von ehemals 670 Euro auf plötzlich 2800 Euro an. Eine sehr beliebte Vorgehensweise bei den Entmietern liegt auch darin, die Hausfassade einfach mit Gerüsten abzudecken. Für viele Immobilienspekulanten ist das besonders effektiv und die Kosten dabei sind niedrig. Das Gerüst wird zusätzlich mit einer Plane abgedeckt, so dass es über Wochen und Monate dunkel bleibt. Selbst ein entstehender Anspruch auf eine Mietminderung wird hierbei gerne in Kauf genommen.
Auf Dauer halten diesen Zustand nur wenige Mieter durch. Viele Immobilienspekulanten bieten zusätzlich eine Abfindung an. Die meisten Mieter geben nach und ziehen aus. Der Umzug erfolgt in vielen Fällen in andere Viertel. Im gleichen Viertel lassen sich kaum bezahlbare Wohnungen finden. Besonders bitter ist das natürlich für Mieter, die bereits seit Jahrzehnten dort lebten. Viele Vermieter oder deren Entmieter gehen mittlerweile auch überfallmäßig vor. Statt eine Kündigung auf dem Postwege zu senden, stehen sie plötzlich mit Auflösungsverträgen vor der Tür und schrecken dabei auch nicht davon zurück, den Mieter zu einer Unterschrift zu nötigen. Das ist in der Regel sogar viel einfacher, als erst die umfangreichen Anforderungen einer Eigenbedarfskündigung zu erfüllen.
Können Mieter erfolgreich gegen Entmieter vorgehen?
In der Regel bleibt das eine Ausnahme. Hilfreich kann es aber sein, wenn eine Stadt ein hohes Budget für die städtischen Wohnbaugesellschaften hat. Auch hierfür blicken wir auf Berlin. Das Budget dort liegt bei 100 Millionen Euro im Haushalt. Ist der Widerstand der Mieter so stark, dass der Immobilienspekulant am Ende aufgibt, ist es in einigen Fällen durchaus vorstellbar, dass eine städtische Wohnungsgesellschaft eingreift und das Objekt kauft. Die Stadt Berlin unterstützt dabei die gemeinnützigen Träger. Mit dem o. Budget soll die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Preiswert, der nötig ist, um die Miete auf einem bezahlbarem Niveau zu halten, geschlossen werden. Hilfreich ist ein solcher Widerstand aber immer nur dann, wenn die Mieter als eine Einheit auftreten.
Bildquellenangabe: Uli Carthäuser / pixelio.de